Wohnungsbau für alle!

Unser Land steht durch die anhaltende Zuwanderung von Flüchtlingen vor außergewöhnlichen Herausforderungen – das gilt zweifellos mit besonderer Dringlichkeit für die Bau- und Wohnungspolitik sowie den Städtebau. Tatsache ist, dass die jetzt ankommenden Männer, Frauen und Kinder zu einem Großteil in unserem Land bleiben und damit nicht allein unsere Mitbürger, sondern auch Mieterinnen und Mieter von morgen sein werden. Der Wohnungsbedarf wird durch den Zustrom an Flüchtlingen nochmals erheblich steigen.

Allein in NRW werden in den kommenden Jahren rund 200.000 Wohnungen benötigt – im Jahr! Man schätzt, dass rund 80.000 aus dem Bestand gewonnen werden können; 120.000 Wohneinheiten aber müssen neu gebaut werden. Angesichts dieser Zahlen benötigt unser Land dringender denn je einen aktiven und kontinuierlichen Wohnungsneubau – und zwar in allen Preissegmenten.

Wohnungsbau muss endlich zur Chefsache werden! Unser Land braucht ein koordiniertes Vorgehen aller Akteure auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sowie ein umfassendes Maßnahmenpaket für den Wohnungsbau in Deutschland insgesamt. Es müssen endlich investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau geschaffen und ausreichend Bauflächen zur Verfügung gestellt werden.

In dieser Situation kommt gerade dem öffentlich geförderten Wohnungsbau eine Schlüsselrolle zu. Dazu müssen wir die öffentliche Wohnraumförderung noch weiter befeuern. Doch Vorsicht – Sorgfalt muss vor Schnelligkeit gehen! Wir dürfen bewährte Kriterien des Wohnungsbaus angesichts der quantitativen und qualitativen Herausforderungen nicht aufgegeben. Im Gegenteil, heute besteht die Möglichkeit, aus den planerischen Fehlern der Vergangenheit zu lernen und diese für die Zukunft zu vermeiden.

Die jetzt schnell zu realisierenden Wohneinheiten dürfen weder zielgruppengerecht allein für Flüchtlinge noch als Billiglösungen umgesetzt werden. Es muss sichergestellt sein, dass der Wohnungsneubau qualitätvoll und zukunftsfähig erfolgt und primär dort entsteht, wo bereits ein passendes infrastrukturelles Gerüst vorhanden ist – im Dreiklang Verkehr, Bildung, Arbeit.

Das bewährte Ziel der sozialen Durchmischung muss dabei gewahrt bleiben. Die Wohnungen sollten vor allem durch Nachverdichtungen in den Innenstädten realisiert werden. Dies verhindert die Entstehung von Brennpunkten und die soziale Segregation. Pauschale Lösungen kann es dabei nicht geben; vielmehr muss die Sachkenntnis vor Ort entscheiden. 

Städte und Gemeinden sind aufgefordert, über ihre kommunalen Wohnungsbaugesellschaften geeignete Neubaumaßnahmen umzusetzen. Dass dazu auch städtebauliche Wettbewerbe und Architektenwettbewerbe ein sinnvolles und bewährtes Instrument sind, zeigen erfolgreiche Beispiele, die wir unlängst gemeinsam mit unserem NRW-Bauministerium in der „Auszeichnung vorbildlicher Bauten in NRW 2015“ öffentlich gewürdigt haben – etwa das „Quartier der Generationen“ an der Märkischen Straße in Essen (Nattler GmbH, Essen), das Carslwerkquartier in Köln (Molestina Architekten, Köln) oder die neue Siedlung „Urbanes Wohnen mit der Sonne“ in Münster (3pass Architekt/innen Koob Kusch, Köln).
Hier entstanden jeweils in innerstädtischem Kontext verdichtete Wohngebäude, die öffentlich geförderten und frei finanzierten Wohnungsbau mischen und die dadurch und durch ihre baulichen Strukturen heterogene, lebendige Nachbarschaften ermöglichen. Ein ähnliches Vorhaben haben wir im Februar 2016 für ein Wohnungsbauprojekt von 240 Wohneinheiten in Köln-Chorweiler-Nord mit dem „Landespreis NRW 2015“ ausgezeichnet (1. Preis: Querfeld eins Architekten, Dresden).

Um erfolgreich Wohnraum in ausreichender Quantität und in relativ kurzer Zeit herrichten zu können, müssen öffentliche Fördergelder genutzt und private Investoren gewonnen werden. Es bedarf auch einer lebendigen Planungs- und Baukultur vor Ort, in den Städten und Gemeinden, in den Räten und Bezirksvertretungen, bei den Wohnungspolitikern und den Wohnungsbaugesellschaften. Kommunale Grundstücke nicht allein nach dem Preis, sondern auch nach sozialen Zielen zu veräußern, sollte zu einem festen Ziel kommunaler Planungshoheit und sozialer Gestaltungskraft einer Kommune werden. Die Aktivierung von Bauland, von Brachflächen und Baulücken ist ein mühsames Geschäft, das sich aber für die Stadtentwicklung immer auszahlt. Hierzu brauchen die Planungsämter unserer Städte und Gemeinden qualifiziertes Personal, dessen städtebaulichen Weitblick die Stadtgesellschaft schätzen und fördern sollte.

Der Bau von Wohnhäusern und Siedlungen ist gegenwärtig eine dringende Notwendigkeit. Es ist aber auch die große Chance dieser speziellen Situation, wieder aktiv Städtebau und langfristige Stadtentwicklung zu betreiben. Die Architektenkammer NRW steht den kommunalen Entscheidern gerne mit Rat und Tat zur Verfügung!