Ruhrstadt 2052 – Der Mensch steht im Mittelpunkt

Von Sebastian Watermeier (28) aus Gelsenkirchen

Wer sich mit der Zukunft unserer Kommunen in Nordrhein-Westfalen auseinandersetzen möchte, der kommt am Ruhrgebiet als Herz unseres Bundeslandes nicht vorbei. Viele Visionen sind schon in der älteren und jüngeren Vergangenheit um die Zukunft des Reviers gesponnen worden. Mich als Bürger des Ruhrgebiets hat dabei die Idee einer Ruhrstadt, also eines selbstständigen Ruhrgebiets abseits des heutigen Systems der Landschaftsverbände und Regierungsbezirke, immer sehr fasziniert. In meinem Wettbewerbsbeitrag habe ich diese Idee am Rande aufgegriffen, jedoch andere Veränderungen in den Vordergrund gestellt.

Ich wollte, dass wir als Leser/innen die Ruhrstadt 2052 durch die Augen eines ihrer Bürger sehen und habe meinem Beitrag deshalb einen Protagonisten mit Zuwanderungsgeschichte, aber eben nur zu gut dazu passend auch klarer Ruhrgebietsidentität gegeben. Den Rahmen unserer Zeitreise bildet sein morgendlicher Weg zur Arbeit, der vielen ruhrgebietskundigen Leser/innen gut vertraut sein wird. Seine Fahrt flankieren die zahlreichen technischen Wunder der Zukunft, die wir schon in der heutigen Alltagstechnologie angelegt, aber noch nicht zur Reife gebracht finden. Meine Zukunftsvision ist in dieser Hinsicht – so wie die klassische Science Fiction aus der Mitte des 20. Jahrhunderts – stark von den Möglichkeiten technischer Innovation geprägt. Es ist unzweifelhaft, dass technische Veränderungen unseren Alltag massiv verändern werden, ob nun in Form neuer Industrieprodukte, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten, in Form neuartiger Verkehrssysteme oder sogar einer drastischen Veränderung des öffentlichen Raumes, wenn Leuchtreklamen und Verkehrsschilder Einblendungen auf intelligenten Displays Platz machen. Kommunalpolitik steht vor der Herausforderung, Möglichkeiten der Technik zu erkennen und zur Umsetzung zu bringen – in einer Form, die den Alltag der Menschen erleichtert und verbessert.

Letztendlich bildet die technische Innovation aber nur eine Grundlage, auch unsere Lebensweise grundlegend zu verändern. Wenn durch moderne Kommunikationsmittel und durch eine veränderte Arbeitswelt nicht immer unsere physische Präsenz am Arbeitsplatz gefordert ist, wenn durch fortlaufen Strukturwandel Flächen frei werden und angesichts nachlassender Umweltbelastungen Verkehr, Produktion und Wohnumfeld enger zusammenrücken können, dann bietet dies auch die Möglichkeit, Wohnen und Leben neu zu denken. Neue Wohnkomplexe können sehr viel stärker in die Fläche gebaut werden und über eine Aufwertung von Freizeit- und Betreuungsmöglichkeiten sowie einen Generationenmix ein ganz eigenes Sozialgefüge erhalten, das sich vielleicht auch wieder stärker an einer Vorstellung von Gemeinschaft und Miteinander orientiert, das in der schnelllebigen Urbanität unserer Gegenwart ein Stück weit verloren gegangen ist. Ebenso können Ausbildungs- und Arbeitsplätze anders und mit einem höheren Maß an Lebensqualität gedacht werden, wenn der Wegfall technischer Zwänge dabei hilft, das Arbeitsumfeld angenehmer zu gestalten. Davon können auch schulisches und universitäres Lernen profitieren, deren Lerninhalte und Formen stärker an die Wünsche und Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden können.

In diesem Sinne sollte sich die Ruhrstadt 2052 vor dem Hintergrund aller technischen Erneuerung auf eine sehr sozialdemokratische Formel bringen lassen: Der Mensch steht im Mittelpunkt.