Gestern hat das Landeskabinett Eckpunkte für eine so genannte Altschuldenlösung beschlossen. Einen Schritt, den die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen (SGK NRW) grundsätzlich begrüßt und bereits lange fordert.

Frank Meyer, SGK-Landesvorsitzender und Oberbürgermeister von Krefeld:

„Nachdem der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz bereits 2019 eine gemeinsame Kraftanstrengung für die Übernahme von kommunalen Altschulden ins Spiel gebracht hat, ist es gut, dass sich jetzt – rund fünf Jahre später und nachdem alle anderen betroffenen Länder Vorschläge gemacht haben –die nordrhein-westfälische Landesregierung endlich auf den Weg zur Erarbeitung einer Lösung macht. Wir begrüßen das ausdrücklich. Für eine abschließende Bewertung ist es aber noch zu früh. Die groben Züge, die Hendrik Wüst vorgestellt hat, müssen sich an der Realität messen lassen.“

„Hätten Kommunalministerin Scharrenbach und Ministerpräsident Wüst bereits früher auf das Bitten und Drängen der kommunalen Familie reagiert, hätte sich eine Lösung einfacher und zudem deutlich kostengünstiger finden lassen. Im vergangenen Jahr hat Ministerpräsident Wüst versucht, den Kommunen einen Vorschlag unterzujubeln, den sie vollständig selbst hätten bezahlen sollen. Ein Vorschlag, der von Experten und selbst eigenen Leuten vernichtend kritisiert worden ist.“

„Bisher wurde nun lediglich verkündet, über die kommenden 30 Jahre rund 7,5 Milliarden Euro aufbringen zu wollen. Wie die Landesregierung die umfassende Schuldenübernahme der kommunalen Altschulden gestalten will, die die Voraussetzung für die Beteilung des Bundes ist, bleibt aktuell noch ungeklärt. Hier erwarten wir kurzfristig konkrete Vorschläge.“

„Wir erwarten, dass Ministerpräsident Wüst und seine Landesregierung die kommunale Familie in die weiteren Überlegungen sowie die Gespräche mit dem Bund einbezieht. Insbesondere fordern wir eine Beteiligung bei der Frage, wie sich das Land eine kommunale Beteiligung vorstellt. Hier müssen jetzt konkrete Vorschläge geliefert werden, denn es kann nur gemeinsam gehen: Bund, Land UND Kommunen. Wir erwarten, dass alle Anstrengungen unternommen werden, die den Weg für eine solide Altschuldenregelung im Bundestag und Bundesrat freimachen.“

Die konkrete Gemengelage: Nach derzeitigem Stand bietet der Bund konkrete Hilfe und Unterstützung für eine Situation an, die rechtlich betrachtet alleinige Pflicht der Länder ist. Denn die Kommunen sind staatsorganisationsrechtlich Teile der Länder und damit sind die Länder auch für die kommunale Finanzausstattung verantwortlich. Mit dem – leider nicht weitergeführten – Stärkungspakt Stadtfinanzen hat die damalige SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bereits ein erstes umfassendes Programm auf den Weg gebracht, um die Kommunen in NRW bei ihrem Haushaltsausgleich zu unterstützen und die Verschuldung – und damit die Altschulden – nicht weiter in die Höhe zu treiben. Auf eine vergleichbare Unterstützung wartet die kommunale Familie seitdem vergeblich.“

Hintergrund:

Allein in Nordrhein-Westfalen sind Städte und Gemeinden mit rund 20 Milliarden Euro Altschulden belastet. Damit sind hohe Bestände an Kassenkrediten gemeint, mit denen die Kommunen in den vergangenen Jahrzehnten notgedrungen ihre laufenden Finanzausgaben, sprich ihre Liquidität, finanziert haben. Im Jahr 2019 hat der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeschlagen, die Kommunen einmalig von dieser erdrückenden Schuldenlast zu befreien und seinerzeit auch die Solidarität der weniger betroffenen Bundesländer eingefordert. Die Rede war von „einer Stunde Null für die betroffenen Kommunen“. Seitdem haben die anderen betroffenen Bundesländer Hessen (Hessenkasse), Saarland (Saarland-Pakt) sowie Rheinland-Pfalz (Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen) entsprechende Programme aufgelegt. In dieser Reihe fehlt leider Nordrhein-Westfalen bisher noch. Das Bundesfinanzministerium hatte zuletzt im April 2024 die Rahmenbedingungen für die Bundesunterstützung definiert:

  1. Bundesbeteiligung an Entschuldungsprogrammen der Länder

Die Entlastung der Kommunen von Altschulden erfolgt in einer gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung des Bundes und der betroffenen Länder. Hierzu beteiligt sich der Bund an einer umfassenden Entschuldung der Kommunen durch die jeweiligen Länder (siehe 5.). Alle Länder mit betroffenen Kommunen haben die Möglichkeit zur Teilnahme („opt-in“). Es erfolgt keine Mitfinanzierung durch nicht-teilnehmende Länder.

  1. Höhe der Bundesbeteiligung

Die Höhe der Bundesbeteiligung beläuft sich auf 50 Prozent der vom Land bereits übernommenen bzw. bis spätestens zum 31. Dezember 2023 zu übernehmenden übermäßigen Liquiditätskredite, deren Zins- und Tilgungslast nachweislich komplett vom Land getragen wird. Die bereits erfolgten Liquiditätskreditentschuldungen durch die Länder Niedersachsen (Zukunftsvertrag), Hessen (Hessenkasse), Saarland (Saarlandpakt) und Brandenburg (Teilentschuldung kreisfreie Städte) werden ebenso wie die Stadtstaaten bei der kommunalen Altschuldenhilfe entsprechend berücksichtigt.

  1. Definition übermäßige Liquiditätskredite

Als übermäßig gelten diejenigen Liquiditätskredite einer Kommune, die für eigene Zwecke und nicht zur Finanzierung von Investitionen oder anderem Kommunalvermögen verwendet wurden und einen Sockelbetrag von 100 Euro je Einwohner überschreiten. Zur Vermeidung von negativen Anreizeffekten beläuft sich die Bundesbeteiligung auf maximal 50 Prozent der zum Stichtag 31. Dezember 2020 [2021] bestehenden übermäßigen Liquiditätskredite.

  1. Art und Zeitpunkt der Bundesbeteiligung

Die Beteiligung des Bundes an der Altschuldenhilfe der Länder erfolgt durch Übernahme von Landesschulden (Schuldeintritt). Die Übernahme von Landesschulden erfolgt nach umfassender Entschuldung der Kommunen durch das jeweilige Land.

  1. Umfang der Entschuldung / Eigenbeteiligung der Kommunen

Der Bund beteiligt sich ausschließlich an Landesprogrammen, die ihre Kommunen komplett von übermäßigen Liquiditätskrediten befreien. Die Länder tragen dafür Sorge, dass die Kommunen eigene Beiträge zur Entschuldung leisten.

  1. Vermeidung erneuter Schuldenaufbau

Voraussetzung für eine Beteiligung des Bundes an Entschuldungsprogrammen der Länder ist, dass sich diese Länder verpflichten, einen erneuten Aufbau kommunaler Liquiditätskredite zu verhindern. Der Rahmen für die hierzu notwendigen Elemente im Haushalts- und Aufsichtsrecht der Länder wird bundesrechtlich festgelegt. Das Monitoring über die Umsetzung in den Ländern erfolgt in Form eines Berichts der Länder an den Bund.

  1. Erforderliche Grundgesetzänderung

Für die Beteiligung des Bundes an Entschuldungsprogrammen der Länder bedarf es mit Blick auf Art. 104a Abs. 1 und Art. 109 Abs. 1 GG der Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für die einmalige Übernahme von Landesschulden sowie der hierauf bezogenen inhaltlich beschränkten Ermächtigung des Bundes für haushaltsrechtliche Anforderungen an die Länder, die den erneuten Aufbau übermäßiger Liquiditätskredite verhindern soll. [Hinweis: Die Schuldenbremse wird von der Übernahme von Landesschulden durch den Bund nicht berührt.]